Das Wichtigste im Überblick:
- Ablehnung, Angst, Genervtsein, Ohnmacht: Die Klimapsychologin Janna Hoppmann will Unternehmen helfen, die negativen Gefühle, die der Klimawandel bei vielen Menschen auslöst, in positives Handeln umzusetzen.
- Führungskräfte müssen hier mutig vorangehen, damit sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Kundinnen und Kunden bei dem Transformationsprozess mitnehmen können. Mutig vorangehen heißt: Sich bewusst machen, wie wichtig Nachhaltigkeit ist und selbst aktiv werden. Janna Hoppmann gibt drei Tipps für Führungskräfte, wie sie in das Thema einsteigen können.
- Mithilfe der Klimapsychologie kann eine positive Klimakommunikation gelingen. Nachhaltigkeitsziele werden mit angenehmen Emotionen verbunden.
- Ein Nachhaltigkeitstag für alle Beschäftigten in einem Unternehmen ist ein guter Einstieg und wirkt identitätsstiftend.
- Unternehmen, die sich aktiv mit Nachhaltigkeitsfragen befassen, werden als attraktivere Arbeitgeber wahrgenommen und können Fachkräfte der Zukunft für sich gewinnen.
Der Klimawandel stresst unsere Seele. Die Klimapsychologin Janna Hoppmann will dazu anleiten, negative Gefühle in positives Handeln umzusetzen. Führungskräfte in Unternehmen spielen dabei eine zentrale Rolle.
Die Chancen der Klima-Transformation sehen
Momentan löst der Klimawandel bei den Menschen unterschiedliche Gefühl aus: Sie sind genervt oder haben ein schlechtes Gewissen. Sie fühlen sich ohnmächtig und haben Angst vor dem, was noch kommt. Oder sie betrauern die bereits zerstörte Natur. Auch indirekte Folgen wie Migration belasten viele Menschen. Die Klimakrise wirkt sich also nicht nur körperlich auf uns aus – durch Hitze, Dürre und Überschwemmungen –, sie macht auch unsere Seele krank.
Klimakrise: Führungskräfte müssen mutig vorangehen
„Aber im Negativen zu verharren bringt nichts. Wir müssen über die Chancen und Potenziale sprechen, die mit dem Klimawandel einhergehen“, erläutert Janna Hoppmann. Sie ist Klimapsychologin und verbindet ihre Kompetenzen als Psychologin mit dem Klimaschutz. Vor zwei Jahren hat sie Climatemind gegründet: eine klimapsychologische Agentur, die sowohl mit großen als auch kleinen und mittelständischen Unternehmen zusammenarbeitet, um eine erfolgreiche Klimakommunikation zu etablieren. Das Ziel von Climatemind ist es, die Kompetenzen zu stärken, die Beschäftigte in Unternehmen benötigen, um nachhaltig zu handeln: erstens sich bewusst machen, wie wichtig Nachhaltigkeit ist, und zweitens sich aktiv für eine klimagerechte Welt einsetzen, in der es allen Menschen gut geht. Im Fokus sieht Janna Hoppmann vor allem Führungskräfte. „Für sie wird es immer relevanter, sich selbst weiterzubilden, um als gutes Vorbild mutig voranzuschreiten“, sagt sie. „Und sie müssen Mitarbeitende und Kunden bei diesem Transformationsprozess mitnehmen können.“
Psychologie kann Verhalten beeinflussen
Die Psychologie ist bei diesem Prozess der richtige Hebel, damit Nachhaltigkeitsziele nicht nur auf dem Papier stehen, sondern mit Emotionen verknüpft werden und alle mitmachen. „Denn nur dann wird Nachhaltigkeit von etwas Unangenehmen und Nervigem, von einer Zusatzbelastung, die viele Mitarbeitende ablehnen oder sie ängstigt, zu etwas, das Zusammenhalt stiftet und die Grundlage für den fundamentalen Wandel im Unternehmen legt“, so Hoppmann.
Nachhaltigkeitstag für Identitätsstiftung
Dieses emotionale Mitnehmen hat Climatemind beispielsweise in einem Unternehmen der Spielwarenindustrie angestoßen. Dessen Fragestellung: Wie können wir bei uns nachhaltigere Entscheidungen treffen? An einem Nachhaltigkeitstag hatten alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erstmals die Gelegenheit, gemeinsam ein Verständnis dafür zu entwickeln, was einen davon abhält, nachhaltig zu handeln, wie weit weg oder nah dran das Thema für den Einzelnen ist und welche Gefühle sie für Menschen haben, die sich im Unternehmen für Nachhaltigkeit einsetzen. Die Resonanz der Beschäftigten? Sehr gut! „So ein Nachhaltigkeitstag gibt die Möglichkeit, sich mit dem Thema ohne Schuld und Scham zu beschäftigen und sich zu öffnen“, ist Hoppmanns Erfahrung.
Klimapsychologie motiviert zum Umdenken und Mitmachen
Und auf diese Veränderung in der Denkweise komme es an, so die Klimapsychologin. Damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kreativ werden und neue, nachhaltige Arbeitsprozesse, Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Erreicht werde die veränderte Denkweise aber nur, wenn Nachhaltigkeit im Denken, Fühlen und Handeln verankert sei, sagt Hoppmann. Und für dieses lebendig machen brauche es die Klimapsychologie.
Existenzielle Fragen klären
Aber ist das nicht ein zu hoher Anspruch an Unternehmerinnen und Unternehmer? Nein, lautet die klare Antwort von Hoppmann. Klimapsychologische Fragen sind ihrer Meinung nach sehr existenziell: „Denkt ein Unternehmen diese Fragen nicht mit, wird es künftig abgehängt.“ Wer sich dagegen positiv mit Klimaschutz auseinandersetzt und seine Beschäftigten mitnimmt, profitiert. Weil Führungskräfte besser in der Lage sein werden, Projekte im Unternehmen umzusetzen, und weil Beschäftigte sich engagieren und Ängste oder Vorbehalte abbauen.
* Quelle: IBM Institute for Business Value, Februar 2022, 16.349 Befragte aus zehn Ländern (Brasilien, Kanada, China, Frankreich, Deutschland, Indien, Mexiko, Spanien, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten)
Fachkräfte durch Nachhaltigkeit gewinnen
Gleichzeitig strahlen nachhaltig handelnde Unternehmen Attraktivität aus: So stellte das IBM Institute for Business Value nach einer Umfrage im Februar 2022 fest, dass 71 Prozent der Beschäftigten und Arbeitssuchenden weltweit umweltfreundliche Unternehmen als die attraktiveren Arbeitgeber betrachten. Dazu ergänzt Hoppmann: „Nachhaltigkeit bleibt ein Dauerthema, das mit jedem Jahr an Bedeutung gewinnt. Wer junge idealistische Menschen für sein Unternehmen gewinnt, die Nachhaltigkeit verstanden haben und leben, hat die richtigen Führungskräfte von morgen.“ Ihr Fazit: Wer nicht möchte, dass der Klimawandel zur psychischen Belastung im Unternehmen wird, muss jetzt aktiv werden und den Wandel bei allen anstoßen.
Psychische Stressreaktionen auf den Klimawandel
Eco-Anxiety, Eco-Grief beschreibt emotionale Reaktionen, wenn der Gedanke an die Bedrohung durch den Klimawandel Gefühle von Angst, Hilflosigkeit oder Sorgen auslöst.
Solastalgie bezeichnet ein Gefühl des Verlustes, der Trauer und den empfundenen emotionalen negativen Stress, der entsteht, wenn es zu Umweltveränderungen oder -zerstörungen im vertrauten Lebensraum kommt.
Die Solastalgie bezieht sich auf das, was bereits verändert oder verloren ist, wohingegen die Eco-Anxiety antizipativ ist, also eine Angst vor dem darstellt, was kommen könnte.
Quelle: Umweltbundesamt
Janna Hoppmann – die Gründerin von ClimateMind
„2018 hatte ich ein einschneidendes Erlebnis, als ich mit einem Containerschiff zu den Philippinen gefahren bin und an Bord Pablo, einen Filipino, kennengelernt habe. Er arbeitete als Matrose auf dem Schiff und erzählte mir sehr erschreckende Dinge über seine Heimat. Wie sehr sich die Klimakrise dort bereits auf sein Leben auswirkt. Sichtbar, fühlbar, mit viel Zerstörung einhergehend. Das war mein Schlüsselerlebnis. Mir wurde klar, dass ich mein Studium der Psychologie mit dem Klimawandel verknüpfen muss. Dass ich mich mit Fragen zur Gerechtigkeit befassen möchte. Wie können wir uns solidarisch zeigen, mit Menschen, die schon vom Klimaschutz betroffen sind. Wie können große Organisationen Verantwortung übernehmen für ein Thema, das erst einmal überwältigend und negativ erscheint, um Mut, Spaß und Freude aus dem Handeln herausziehen. Das hat mich veranlasst, ClimateMind zu gründen.“