Das Wichtigste in Kürze
- Azubis haben eine überproportional hohe Unfallwahrscheinlichkeit
- Arbeitsschutz wird bei der Planung der Ausbildung oftmals nicht systematisch mitgedacht
- Azubis müssen vor Aufnahme der Tätigkeit und danach regelmäßig unterwiesen werden
- 5 Tipps, wie der Arbeitsschutz von Tag 1 in die Ausbildung implementiert werden kann
In diesen Tagen treten rund 500.000 junge Menschen in Deutschland eine Ausbildung an. Für sie beginnt ein prägender Lebensabschnitt, der mit vielerlei neuen Eindrücken, Erfahrungen und Aufgaben auf sie wartet. Damit sie ihre Ausbildung sicher und gesund absolvieren können, sind Unternehmerinnen und Unternehmer, Führungskräfte sowie Ausbilderinnen und Ausbilder gefragt.
Auszubildende und junge Berufsanfängerinnen und -anfänger haben eine überproportional hohe Unfallwahrscheinlichkeit (wir berichteten). Grund Nummer eins ist ihre Unerfahrenheit. „Azubis kommen frisch von der Schule in ein vollkommen neues Umfeld. Ihnen fehlen schlichtweg die Erfahrung, das Wissen und Können und manchmal auch die Reife, um sich in einem Betrieb sicher zu bewegen“, weiß Norbert Woehlke, BGHW-Referent für Angebotsentwicklung. „Sie kennen das Betriebsgelände und die Fahrwege nicht, kennen sich mit den Arbeitsmitteln nicht aus, wissen nicht, was sie tun sollen, wenn es brennt… all dies führt dazu, dass sie ein höheres Risiko haben, einen Arbeitsunfall zu erleiden, als ihre älteren Kolleginnen und Kollegen.“
Unfälle gefährden das Ausbildungsziel
Das Problem: Oftmals wird der Arbeitsschutz bei der Planung der Ausbildung nicht systematisch mitgedacht. So kommt es insbesondere bei vielen kleineren und mittleren Unternehmen vor, dass etwa die Unterweisungen auch für die Azubis erst dann erfolgen, wenn der jährliche Termin für die gesamte Belegschaft vorgesehen ist oder wenn eine Führungskraft zeitlich dazu kommt. „Viel zu spät“, warnt Diplom-Psychologin und BGHW-Referentin Stefanie Hobrack-Zscheich. „Unter Umständen sind dann Monate vergangen und die Azubis hantieren längst mit dem Hubwagen, in den sie noch nicht unterwiesen wurden.“
„Es gilt die Devise: Lieber einmal mehr als zu wenig unterweisen“, rät auch Woehlke. Er weiß: Fallen Auszubildende wegen eines Unfalls aus, ist die Not groß. Sowohl bei den Azubis, die unter Umständen ihre Ausbildung verlängern müssen, als auch bei den Unternehmen, deren Ausbildungsplan hinfällig werde. Dann sei das Ausbildungsziel gefährdet, denn es könne sein, dass die Azubis gar nicht zur Prüfung zugelassen werden, wenn sie lange krank gewesen seien. Hinzu komme: Viele Berufsschulen seien gar nicht ausgelegt auf lange Abwesenheiten. Schlimmstenfalls müssten die Azubis also ein ganzes Ausbildungsjahr wiederholen.
5 Tipps für den Arbeitsschutz in der Ausbildung
Unternehmen, die den Arbeitsschutz von Tag eins an in die Ausbildung implementieren, können solche Szenarien verhindern. Hierbei darf Folgendes beachtet werden:
Arbeitsschutz beim Begrüßungstag
Viele Unternehmen veranstalten für die neuen Azubis einen Begrüßungstag, in dem sie das Unternehmen und die Belegschaft vorstellen. Es ist ratsam, bereits hier erste Informationen zum Arbeitsschutz zu integrieren. Wer ist die Sicherheitsfachkraft? Wer sind die Sicherheitsbeauftragten? Wo befinden sich Flucht- und Rettungswege? Dies sollten Themen schon für den ersten Tag im Betrieb sein.
Ausbilderinnen und Ausbilder in der Pflicht
Die Ausbilderinnen und Ausbilder sind nicht nur dafür verantwortlich, dass die Azubis erfolgreich in einem Beruf ausgebildet werden, sondern auch, dass diese sicher und gesundheitsgerecht arbeiten können. Daher ist es ihre Pflicht, auch den Arbeitsschutz in die Ausbildung zu integrieren. Das heißt: Sie organisieren zum Beispiel, dass die Arbeitsbedingungen für Azubis sicher und gesund gestaltet sind – hier kommt die Gefährdungsbeurteilung mit ins Spiel und wer die Azubis wann unterweist.
Zuerst unterweisen, dann arbeiten – und im Blick behalten
In der Ausbildung lernen Azubis häufig verschiedene Unternehmensbereiche und Arbeitsplätze kennen. Es ist wichtig, sie vor Beginn des neuen Abschnittes in den jeweiligen Arbeitsplatz mit seinen spezifischen Arbeitsmitteln zu unterweisen. Ungeachtet dessen müssen allgemeine und tätigkeitsspezifische Themen mindestens einmal jährlich (bei minderjährigen Beschäftigten mindestens halbjährlich) wiederholt unterwiesen werden. Wichtig ist, die Azubis auch danach im Blick zu behalten: Bei unsicherem oder Fehlverhalten müssen relevante Aspekte nochmals besprochen und gegebenenfalls einzelne Arbeitsschritte geübt werden.
Unterweisung: aber bitte nicht langweilig
Bei der Unterweisung gilt: Langweilige Powerpoint-Präsentationen und Frontalvorträge waren gestern. Die heutige Generation der Auszubildenden ist aufgewachsen im digitalen Zeitalter und erwartet eine kreative Auseinandersetzung mit Themen des Arbeitsschutzes. Die BGHW bietet hierfür eine Reihe von Hilfsmitteln für Ausbilderinnen und Ausbilder an. Auch das Einbeziehen der älteren Azubi-Generation hat sich bewährt. Wie wäre es einmal, diese zu befragen, nach ihren Ideen für einen besseren Arbeitsschutz für junge Beschäftigte? Hierbei können viele ausgezeichnete Ideen entstehen (siehe auch: Azubipreis der Goldenen Hand)
Nicht überfordern
Mit dem Start in die Ausbildung beginnt für die jungen Menschen das Arbeitsleben. Das heißt: Plötzlich sehen sie ihre (Schul-)Freunde seltener und haben deutlich weniger Freizeit – und dies in einer Zeit, in der durch das Erwachsenwerden ohnehin viele Veränderungen geschehen. Eine planbare Arbeitszeit, die den Azubis erlaubt, beispielsweise trotzdem weiterhin zum Fußballtraining oder ins Fitness-Studio gehen zu können oder einen Tag frei nehmen zu dürfen, um zu einem Konzert zu fahren, hilft, sie psychisch nicht zu überfordern. Eine wichtige Grundlage, um langfristig eine sichere, gesunde und motivierte Generation im Unternehmen zu halten.
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... Norbert Woehlke
Die meisten Unfälle erleiden Azubis auf ihren Arbeitswegen. Was sind die Gründe?
„Schulwege werden in der Regel von Stadtplanung und Verkehrsexperten sicher gestaltet: mit möglichst wenig Verkehr, ausreichend Beleuchtung und Geschwindigkeitsbegrenzungen. Zudem sind die Wege viele Jahre bekannt. Mit Start der Ausbildung hingegen kann der Arbeitsweg ins Gewerbegebiet führen. Dann heißt es plötzlich: keine Zebrastreifen, wenig Beleuchtung, keine verkehrsberuhigten Zonen, längere Wege von der Bushaltestelle – dafür mehr LKW und große, unübersichtliche Betriebsgelände. Von ihrem ersten Gehalt kaufen sich die jungen Menschen dann häufig einen „fahrbaren Untersatz“, ein Moped oder einen Roller, mit denen sie auch noch recht ungeübt sind. All dies sind Faktoren, die das Risiko für Wegeunfälle erhöhen.“
...Stefanie Hobrack-Zscheich
Hat die Generation Z andere Ansprüche an die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit?
Jede Generation hat ihre Prägungen und ihr Umfeld, in dem sie groß wird. Die so genannte Generation Z ist in der Lage, sich ihren Arbeitsplatz nach Neigungen und Interessen auszusuchen. Es herrscht kein Mangel an Arbeitsplätzen, wie vielleicht noch zu Zeiten ihrer Eltern- oder Großelterngeneration. Zugleich sehen die jungen Menschen aber auch, wie krank die Arbeit ebendiese Eltern und Großeltern teilweise gemacht hat, vom Bandscheibenvorfall bis zum Burnout. Es ist doch verständlich, dass sie das für sich selbst nicht wollen. Daher ist ihnen eine sichere und gesunde Arbeit sehr wichtig – hier können sich Unternehmen, die den Arbeitsschutz ernst nehmen, übrigens einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bei den jungen Fachkräften sichern.
Die „Jugend von heute“ im Wandel der Zeit
Trägheit, Desinteresse und riskantes Verhalten – wenn es um „die Jugend von heute“ geht, wussten schon die erwachsenen Sumerer vor rund 5000 Jahren kein gutes Haar an ihrem Nachwuchs zu lassen, so belegen es heute noch erhaltene Tontafeln. Und auch Sokrates soll gesagt haben: „Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widerspricht ihren Eltern, legt die Beine übereinander und tyrannisiert ihre Lehrer.“
Was der berühmte Philosoph hier beschreibt, ist eigentlich ein völlig normales Verhalten von Heranwachsenden. So fand die Hirnforschung heraus: Während der Pubertät ähnelt das Gehirn einer Großbaustelle. Je nach „Bauphase“ geraten bestimmte Funktionen zeitweise aus dem Gleichgewicht. Eine geringere Impulskontrolle und ein erhöhtes riskantes Verhalten sind oft die Folge.
Die gute Nachricht: Mit etwa 25 Jahren ist die Hirnreife abgeschlossen. Der „ganz normale Erwachsene“ ist entstanden – und beginnt sich über die dann aktuelle „Jugend von heute“ zu wundern.