| Arbeitswelt
Mit Interview

Unfallquelle Flurförderzeug

ca. 3 Minuten Lesezeit

Das Wichtigste im Überblick

  • Verletzungen mit Flurförderzeugen sind ein großer Unfallschwerpunkt bei den Unternehmen des Handels und der Warenlogistik. 
  • Unfälle führen oft zu schwersten Verletzungen. Betroffene sind in der Regel mindestens vier Monate, aber auch bis zu einem oder anderthalben Jahren nicht arbeitsfähig.
  • Interview mit Prof. Bernhard Karich, Chefarzt am Heinrich-Braun-Klinikum in Zwickau. Karich hält am 18. September auf der BGHW-Fachtagung „Sicherheit und Gesundheit in Handel und Warenlogistik“ einen Vortrag über Verletzungen mit Mitgängerflurförderzeugen.
Symbol für Zusammenfassung des nachfolgenden Seiteninhalts

Verletzungen mit Flurförderzeugen sind nach wie vor ein Unfallschwerpunkt bei den Unternehmen des Handels und der Warenlogistik. Professor Bernhard Karich vom Heinrich-Braun-Klinikum in Zwickau behandelt die Verunfallten regelmäßig auf seinem OP-Tisch und gibt einen Einblick in Verletzungsmuster sowie chirurgische und rehabilitative Möglichkeiten.

Professor Dr. Bernhard Karich ist Facharzt für Chirurgie, Orthopädie, Unfallchirurgie und spezielle Unfallchirurgie am Heinrich-Baum-Klinikum in Zwickau

Herr Professor Karich, laut DGUV Statistik sind die Unfallzahlen mit Flurförderzeugen nach wie vor ein Unfallschwerpunkt. Woran liegt das?

Bernhard Karich: Flurförderzeuge wie Ameise oder Gabelstapler sind wichtige Hilfsmittel, die beim Heben und Tragen von schweren Gegenständen helfen, das ist erst einmal ein positiver Effekt. Aber aufgrund der Mechanik können sie in der Handhabung auch gefährlich sein. Wenn dann äußere Umstände wie Zeitdruck und Hektik hinzukommen und der Mensch, der sie bedient, auch noch ein geringes Risikobewusstsein hat, passieren Unfälle. Außerdem erlebe ich in den letzten Jahren eine Veränderung: Übergewicht und eine unvernünftige Lebensweise nehmen zu – unkoordinierte und unkonzentrierte Bewegungsabläufe sind die Folge und tragen zu Unfällen bei.

Die Unfälle führen häufig zu schweren oder schwersten Verletzungen. Was sind die typischen Unfallmechanismen? Was sehen Sie im Klinikalltag?

Bernhard Karich: Ein Blick in die DGUV Statistik zeigt und das deckt sich auch mit unseren Erfahrungen aus den Unfallberichten: Bei den Flurförderzeugen wie dem Gabelstapler sind Anfahrunfälle der Klassiker, gefolgt von Unfällen beim Auf- und Absteigen. Quetschungen und Verletzungen durch umkippende Stapler kommen ebenfalls vor. Bei den Flurförderzeugen, die per Hand manövriert werden wie die Ameise, haben über die Hälfte der Verunfallten diese selbst bedient. An zweiter Stelle stehen Verunfallte, die angefahren oder gequetscht wurden. Bei uns auf dem OP-Tisch haben wir als Auswirkungen vor allem Verletzungen an den unteren Extremitäten: von den Füßen über die unteren Knöchel, Kniegelenke, Unterschenkel bis hoch zur Hüfte. 

Welche chirurgischen Möglichkeiten nutzen Sie im Heinrich-Braun-Klinikum?

Bernhard Karich: Das hängt ganz von den Verletzungen ab. Der Schwerpunkt liegt auf der Rekonstruktion von Knochen und Weichteilen. Wir bauen auch die Haut neu auf. Unser Ziel ist es immer, die Extremitäten zu erhalten und zum Beispiel bei Fußverletzungen dafür zu sorgen, dass die Patientinnen und Patienten wieder mit entsprechendem Schuhwerk gehen können. Im Extremfall kommt es auch zu Amputationen.

 

Bein eines Patienten, das für die CO2-Trockenbehandlung in eine spezielle Behandlungshülle gepackt wurde.
Das linke Bein eines Patienten wurde für die CO2-Trockenbehandlung in eine spezielle Behandlungshülle gepackt.

Wie therapieren Sie die Verletzungen?

Bernhard Karich: Eine unserer effektivsten Therapieformen für die Rehabilitation ist die CO2-Trockenbadbehandlung. Sie sorgt für einen verbesserten Stoffwechsel und eine bessere Durchblutung. Beides ist entscheidend für die Heilung. Gut durchblutetes Gewebe wie Muskeln regeneriert vergleichsweise schnell. Aber Strukturen mit schlechter Blutversorgung wie Sehnen und Knochen benötigen wesentlich länger zur Regeneration. Bei einer CO2-Trockenbadbehandlung packen wir einzelne Extremitäten wie den Fuß, den Unterschenkel etc. in eine spezielle Behandlungshülle ein, die wir zum Körper hin abdichten. Die in der Therapiehülle verbliebene Raumluft saugen wir ab und befüllen die Hülle dann mit vorgewärmtem medizinischem Kohlendioxid. Das Gas diffundiert durch die Haut und löst heilende Prozesse aus. Nach der rund 20-minütigen Therapiezeit wird das Gas über ein Schlauchsystem entsorgt. Gerade bei Fersenbeinbrüchen und Fußverletzungen, Regionen, die schlecht durchblutet sind, machen wir sehr gute Erfahrungen mit dieser Therapieform und haben deutlich geringere Komplikationen. Die BGHW weist uns auch gezielt Patientinnen und Patienten für diese Therapieform zu. 

Was ist eine CO2-Therapie?

CO2-Trockenbadbehandlung, auch CAT-Therapie (Carbon­ Acid­Therapy) genannt, ist eine effektive physikalische Behandlungsmethode zur Verbesserung der Sauerstoffversorgung geschädigter Gewebestrukturen. Durch Steigerung des Reparaturstoffwechsels können Heilungs­ und Regenerationsprozesse beschleunigt werden. Die schon seit dem Mittelalter bekannte Wirkung von kohlensäurehaltigen Bädern kommt auch noch heute in verschiedenen Kureinrichtungen zum Einsatz. Weniger bekannt ist, dass verschiedene Formen der CO2-Therapie bei akuten Verletzungen einen wirkungsvollen Einfluss auf den Heilungsprozess haben.

Was können Sie Unternehmen, Fachkräften für Arbeitssicherheit und Sicherheitsbeauftragten mitgeben? 

Bernhard Karich: Dass komplexe Verletzungen, die mit den Flurförderzeugen passieren können, die Versicherten mindestens vier Monate bis zu einem oder anderthalb Jahren außer Gefecht setzen können und sie über einen längeren Zeitraum nicht arbeitsfähig sind. Es lohnt sich also, in die Prävention zu investieren, in jeder Altersphase, denn unsere Patientinnen und Patienten sind von Mitte 20 bis kurz vor dem Rentenalter.  

Chefarzt Prof. Bernhard Karich ist seit 2004 als Facharzt für Chirurgie, Orthopädie, Unfallchirurgie und spezielle Unfallchirurgie am Heinrich-Baum-Klinikum (HBK) in Zwickau tätig. Das HBK ist seit 2014 zum Schwerstverletzungsartenverfahren (SAV) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung zugelassen. Außerdem ist Bernhard Karich seit 2022 Honorarprofessor für Versorgungsforschung an der Westsächsischen Hochschule Zwickau. Auf der BGHW-Fachtagung „Sicherheit und Gesundheit in Handel und Warenlogistik“ in Dresden wird er am 18. September einen Vortrag über das Thema „Verletzung durch Mitgängerflurförderzeuge“ halten.

Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt anmelden
Zurück nach oben springen

Ihr Kontakt zu uns

Wir freuen uns auf Ihre Anfrage!

Redaktion "Hundert Prozent"

E-Mail:
hundertprozent(at)bghw.de

Oder richten Sie Ihre Anfrage per Kontaktformular an uns:
Kontaktformular

Datenschutzhinweis:

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Nutzerinnen und Nutzer,

Sie haben gerade auf die Verlinkung zu unserem Angebot auf %s geklickt. Wenn Sie unten auf „weiter“ klicken und damit dieses Angebot nutzen, können (personenbezogene) Nutzungsdaten durch den Anbieter des Dienstes erfasst und ggf. auch außerhalb der Europäischen Union weiter verarbeitet werden. Auf Art und Umfang der verarbeiteten Daten haben wir keinen Einfluss. Weitere Informationen zu dieser Datenverarbeitung finden Sie in den Datenschutzhinweisen des Anbieters.