Serie: Arbeitsschutz beginnt im Kopf* – gute Kommunikation lernen
Das Wichtigste im Überblick
1. Bei BBS geht es darum, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu motivieren, ihr eigenes Verhalten zu hinterfragen.
2. Richtiges Verhalten muss genau definiert werden.
3. Feedback zu geben ist der Motor für eine positive Verhaltensänderung.
*Die SerieArbeitsschutz beginnt im Kopf bietet einen Überblick zu Themen wie Kommunikation, Verhalten und Gewohnheiten und viele praktische Tipps für alle, die etwas bewegen wollen.
„Es geht darum, Mitarbeitende zu ermutigen – zum sicheren Verhalten.“ Diesen Standpunkt vertritt Prof. Christoph Bördlein. Er ist einer der Spezialisten in Deutschland für verhaltensorientierte Arbeitssicherheit, in Fachkreisen auch Behavior Based Safety (BBS) genannt. Im ersten Teil des Experteninterviews mit „HUNDERT PROZENT“ spricht er über die Verbesserungen, die mit dieser Methode für den Arbeitsschutz erreicht werden können und erklärt, was BBS bedeutet.
Was steckt hinter dem Ansatz von verhaltensorientierter Arbeitssicherheit oder Behavior Based Safety?
Christoph Bördlein: Bei BBS geht es darum, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu motivieren, ihr eigenes Verhalten zu hinterfragen. Zentral sind dabei die täglichen Entscheidungen, die jeder von uns bei der Arbeit trifft. Wenn man dabei weniger Risiken eingeht und sich die Abläufe bewusster macht, wird die Arbeit sicherer. Das wirkt sich dann auch positiv auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz aus.
Das hört sich in der Theorie einfach an. Wie bringt man seine Kolleginnen und Kollegen dazu, ihr Verhalten zu verändern?
Christoph Bördlein: Zunächst gilt es, richtiges Verhalten genau zu definieren. Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Wir legen fest, dass auf Treppen in unserem Betrieb die Handläufe zu benutzen sind. Einige tun es, manche nicht. Als Chef mache ich das in einer Besprechung zum Thema, erkläre meine Motive – sicheres und damit besseres Arbeiten – und bin in der Phase danach aufmerksam.
Ich kontrolliere das Verhalten auf der Treppe. Kommt das nicht negativ an?
Christoph Bördlein: Es geht nicht darum, an der Treppe Wache zu stehen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu überwachen – das wäre auch Quatsch. Wenn ich im normalen Tagesablauf feststelle, dass jemand den Handlauf nicht benutzt, frage ich freundlich und kollegial, woran das liegt. Diese Form der Aufmerksamkeit zeigt zum einen echtes Interesse am Arbeitsschutz und zum anderen meinen Willen, Abläufe zu verbessern. Wenn ich beispielsweise die Antwort bekomme, dass die Pakete zu schwer sind, habe ich eine wertvolle Erkenntnis gewonnen. Dann überlege ich mit der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter gemeinsam, wie man die Aufgabe anders lösen kann.
Und das führt schon zu einer Verhaltensänderung?
Christoph Bördlein: Verhalten ändert sich nicht von einem auf den anderen Tag, es ist ein längerer Prozess. Aber der Anfang ist damit gemacht. Durch meine Reaktion als Vorgesetzter merken meine Angestellten, dass ich sicheres Verhalten ernst nehme. Genauso wichtig ist es, auf den positiven Fall zu reagieren. Wenn ich sehe, dass jemand den Handlauf benutzt, lobe ich – eine kleine Geste reicht völlig aus. Wichtig sind das Zeichen der Anerkennung und die positive Bestärkung.
Was löst das aus?
Christoph Bördlein: Die Beschäftigen sammeln auf diese Weise positive Erfahrungen. Bei BBS ist das eine wichtige Grundlage. Neben einer genauen Definition von Verhalten gehören Beobachten und positives Feedback zu den Grundprinzipien. Auf diese Weise stärkt man das Sicherheitsbewusstsein seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Denn: Feedback zu geben ist der Motor für eine positive Verhaltensänderung.
Im zweiten Teil des Experteninterviews erläutert Christoph Bördlein, wie sich die BBS-Methode in der Praxis anwenden lässt.
Unser Experte
Prof. Christoph Bördlein studierte Psychologie in Bamberg. Seit 2015 ist er Professor an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS). Mit dem Thema „Verhaltensorientierte Arbeitssicherheit“ beschäftigt sich Bördlein seit knapp 20 Jahren – sowohl wissenschaftlich als auch praktisch, indem er Unternehmen berät. 2015 erschien sein Buch zum Thema „Verhaltensorientierte Arbeitssicherheit – Behavior Based Safety (BBS)“. Seit 2018 leitet er den Zertifikatslehrgang „Spezialist/Spezialistin für Behavior Based Safety“ an der FHWS.