Serie: Arbeitsschutz beginnt im Kopf* – gute Kommunikation lernen
Das Wichtigste im Überblick
- Eine funktionierende Fehlerkultur zeichnet sich durch einen konstruktiven Umgang mit Fehlern aus.
- Mitarbeitende und Führungskräfte sollten sich offen und angstfrei begegnen und auf Augenhöhe über Fehler kommunizieren.
- Die Arbeitspsychologin Kathrin Schwarzmann erklärt, wie Fehlerkultur funktioniert und sogar den Teamgeist fördern kann.
- Unsere Tipps, wie man mit jedem Fehler konstruktiv umgeht.
*Die Serie Arbeitsschutz beginnt im Kopf bietet einen Überblick zu Themen wie Kommunikation, Verhalten und Gewohnheiten und viele praktische Tipps für alle, die etwas bewegen wollen.
Sicheres Miteinander
Fehler können passieren. Damit sie sich nicht wiederholen oder zu Unfällen führen, gilt es, jeden Fehler anzusprechen – aber bitte auf Augenhöhe. Wie Fehlerkultur funktioniert und sogar den Teamgeist fördern kann, erläutert die Arbeitspsychologin Kathrin Schwarzmann.
Thomas hat neue coole Turnschuhe ergattert, die farblich sogar zu seiner Arbeitskleidung passen. Daher trägt der Azubi sie stolz während seiner Schicht im Warenlager einer großen Supermarktkette zur Schau. Als einem Kollegen in der Mittagspause die Ketchupflasche runterfällt und ein knallroter Klecks auf Thomas’ teuren Tretern landet, wird auch die Chefin aufmerksam. Sie spricht ihren jungen Mitarbeiter direkt an: „Es tut mir ja leid um deine schönen Schuhe. Aber es würde mir noch mehr leidtun, wenn du dich ernsthaft verletzt hättest. Siehst du jetzt ein, warum wir alle bei der Arbeit Sicherheitsschuhe tragen?“
Aus kleinen Fehlern lernen
„Eine funktionierende Fehlerkultur zeichnet sich vor allem durch einen konstruktiven Umgang mit Fehlern aus. Oft geht es darum, schon aus kleinen Fehlern zu lernen, damit gravierende Fehler möglichst vermieden werden können“, erklärt Kathrin Schwarzmann. Als Leiterin des Referats Arbeits- und Organisationspsychologie bei der BGHW hat Schwarzmann viel Erfahrung mit Fehlerkultur. Der Begriff der Fehlerkultur entstammt ursprünglich den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und bezeichnet die Art und Weise, wie mit Fehlern und den daraus folgenden Risiken in jeder Situation positiv und zum Nutzen aller Beteiligten umgegangen werden kann.
Wie man es in Zukunft besser macht
Längst hat sich der Blick auf den Umgang mit Fehlern auch als hilfreich erwiesen, um Arbeitsschutz und Sicherheit in Unternehmen zu fördern. Aber muss wirklich jeder kleine Schnitzer gleich ausdiskutiert werden? Kathrin Schwarzmann meint dazu: „Es kommt ganz darauf an, wie solche sogenannten kleinen Schnitzer besprochen werden. Die Aufmerksamkeit auf einen gemachten Fehler richten und nachvollziehen, warum er geschehen ist, um es in Zukunft anders zu machen – daraus können alle lernen, und das kann nie verkehrt sein.“ In jedem Fall sollte die Ansprache nicht negativ und herablassend, sondern im besten Fall wertschätzend und respektvoll sein – und Dinge, die gut und richtig gemacht werden, sollten positiv erwähnt werden: „Es darf nicht das Gefühl entstehen, es würde nur über Fehler gesprochen“, so Schwarzmann weiter.
Angstfrei und auf Augenhöhe
Mitarbeitende und auch Führungskräfte sollten sich stets offen und angstfrei begegnen und auf Augenhöhe über Fehler kommunizieren können. Immer mit dem Ziel, die Aufmerksamkeit der Beschäftigten zu schärfen, damit gravierende Fehler mit schlimmen Konsequenzen gar nicht erst passieren: „In vielen Betrieben wird Kleinigkeiten, bei denen ‚Gott sei Dank nichts passiert‘ ist, wenig bis keine Aufmerksamkeit gewidmet, weil es natürlich Zeit kostet. Das große Erwachen gibt es meist erst, wenn etwas Gravierendes geschieht. Dann ändert sich auf einmal alles – und das ist für Mitarbeitende oft schwer nachvollziehbar“, erklärt Kathrin Schwarzmann.
5 Fragen nach … Regelabweichungen
Wer Fehler offen anspricht, kann daraus lernen und Risiken vermeiden. Die folgenden Fragen können dabei helfen, mit jedem Fehler konstruktiv umzugehen.
1. Wissen: War die Regel bekannt? Falls nicht: Wie halten wir uns gegenseitig über Regeln informiert?
2. Verbindlichkeit: Haben sich alle anderen an die Regel gehalten? Falls nicht: Haben wir uns an die Regelabweichung gewöhnt? Wenn ja, warum?
3. Kompetenz: War die beschäftigte Person in der Lage, die Regel anzuwenden? Falls nicht: Was müssen wir tun, um sie zukünftig dazu zu befähigen?
4. Interessenkonflikte: Hatte die Regeleinhaltung Priorität? Falls nicht: Wie gehen wir mit Zielkonflikten bzw. kritischen Entscheidungslagen um?
5. Motivation: Hat eine oder einer der Beschäftigten die Regel mutwillig missachtet? Falls ja: Wie zeigen wir deutlich, dass wir dies nicht tolerieren?
Eindeutige Regeln spielen eine Rolle
Neben einer wertschätzenden Art und Weise, miteinander zu reden, spielen in einer positiven Fehlerkultur allerdings auch eindeutige Regeln eine Rolle, wie Schwarzmann betont: „Es gibt Verhaltensweisen, die sind am Arbeitsplatz klar einzuhalten oder eben unbedingt zu vermeiden. Führungskräfte sollten sich ihrer Position bewusst sein und darauf achten, dass Regeln eingehalten werden.“ Bei Verstößen sollte allerdings nicht einfach von oben herab gemaßregelt werden. Besser sei es, das Verhalten der Menschen im Dialog zu hinterfragen: „Wissen sie es nicht besser? Ist manches einfach unbequem oder wird es als ‚uncool‘ empfunden, wie das Tragen von Sicherheitsschuhen im Beispiel? Versteht man die Ursachen des Verhaltens, kann man leichter ins Gespräch kommen, Tipps geben und sinnvolle Veränderungen herbeiführen“, sagt Kathrin Schwarzmann.
Miteinander schaffen
In diesem Sinne hat sich Thomas’ Führungskraft im Warenlager vorbildlich verhalten. Zunächst hat ihre freundliche, aber bestimmte Ermahnung Mitgefühl mit dem Mitarbeiter und seinem Missgeschick gezeigt. Trotz seines Fehlverhaltens hat sie ihn mit ihrem offenen Umgang vor den Kolleginnen und Kollegen nicht bloßgestellt und so ein Miteinander geschaffen. Mit ihrer abschließenden Frage hat sie einerseits noch mal allen Mitarbeitenden die dringende Notwendigkeit des Tragens von Sicherheitsschuhen aufgezeigt. Auf der anderen Seite hat sie den jungen Mitarbeiter zum Nachdenken über seine Verhaltensweise gebracht. Der Ketchupfleck auf den teuren Sneakern wird ebenfalls dazu beigetragen haben. [dgi]
Unsere Expertin
Kathrin Schwarzmann leitet das Referat Arbeits- und Organisationspsychologie bei der BGHW. Unter Federführung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) hat sie das Thema Psychische Belastung während der Corona-Pandemie zusammen mit anderen Fachleuten aufgearbeitet.