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Lärmschutz im Visier

ca. 5 Minuten Lesezeit

Das Wichtigste im Überblick:

  • Im Schießkino von Waffen Rudolph ist das Tragen von Gehörschutz Pflicht.
  • Der Schallpegel eines Schusses beträgt 135 dB (C) bis 178 dB (C), abhängig von der Kalibergröße. Die Schmerzgrenze ist bereits bei 130 Dezibel überschritten.
  • Inzwischen werden 98 Prozent der Neuwaffen nur noch mit Schalldämpfer verkauft.
  • Seniorchef Günter Rudolph leidet seit einem akustischen Unfall auf einer Jagdreise 2018 unter Lärmschwerhörigkeit.

Familie Rudolph betreibt im baden-württembergischen Osterburken einen Waffenfachhandel mit Werkstatt und Schießkino. Ein lautes Geschäft, bei dem Gehörschutz Pflicht ist. Seniorchef Günter Rudolph kennt da kein Pardon, leidet er doch selbst seit einem akustischen Unfall auf der Jagd an Lärmschwerhörigkeit.

Die Wildschweine sind knapp 40 Me­ter entfernt und laufen durch einen verschneiten Wald. Nacheinander geraten sie ins Blickfeld. Dann knallt ein Schuss. Doch das getroffene Tier sinkt nicht zu Boden, sondern bleibt stehen – markiert mit einem roten Punkt. Dann läuft es weiter. Die Jagdszene ereignet sich nicht in frei­er Wildbahn, sondern im Schießkino von Waf­fen Rudolph in Osterburken. In der vollklimatisierten Schießbahn mit einer Länge von 38 Metern trainieren Jäger und Jägerinnen, aber auch Polizei, Zoll und Sicherheitsdienste sowie Sportschützen und -schüt­zinnen ihre Schusstechnik und Treffsicherheit mit eigenen oder Leihwaffen. „Geschossen wird mit scharfer Munition auf eine Papierleinwand, auf die verschiedene Filme projiziert werden. Das Geschoss wird hinter der Leinwand mit ei­nem Kugelfang aus 500 Tonnen Sand aufgefan­gen“, erklärt Juniorchef Ferdinand Rudolph.

Klassischer Familienbetrieb

Familie Rudolph
Familienbetrieb: Günter und Karin Rudolph mit Sohn Ferdinand Rudolph sind in ihrem Geschäft auf Waffen spezialisiert (v. l.).

Das Fachgeschäft nebenan ist auf die Jagd spe­zialisiert. Dort bieten die Rudolphs eine große Auswahl an Waffen, Munition, Optiken und Zubehör sowie Outdoor-Artikeln für Menschen an, die wie Jägerinnen, Jäger, Vogelkundler und Vogelkundlerinnen viel in der Natur unterwegs sind. In der angeschlossenen Büchsenmacherei konzentrieren sich Günter und Ferdinand Rudolph auf Reparatu­ren, Zielfernrohrmontage und die Fertigung von Schäften. Über sein Hobby, die Jagd, kam Werkzeugmacher Günter Rudolph zur Büchsen­macherei und absolvierte eine zweite Ausbil­dung. 1992 gründete er in Buchen-Hainstadt im Odenwald das Unternehmen Waffen Rudolph mit Waffengeschäft und Werkstatt. 2017 erfolgte der Umzug nach Osterburken, wo der Senior­chef seinen Traum vom Schießkino wahr mach­te. Waffen Rudolph ist ein klassischer Famili­enbetrieb: Ehefrau Karin Rudolph arbeitet im Geschäft, Sohn Ferdinand Rudolph, ebenfalls Büchsenmacher, stieg 2023 fest mit ein, und die Tochter packt auch ab und zu mit an.

beträgt der Schallpegel eines Schusses, abhängig von der Kalibergröße.

Wie laut ist ein Schuss?

Ein Schuss hat einen Schalldruckpegel von 135 bis 178 Dezibel (dB (C)), je nach Waffenart und Kalibergröße. Die Schmerzgrenze liegt bei 130 dB. Ferdinand Rudolph kennt die Wer­te sehr genau. Erst im Februar hatte die BGHW vor Ort Lärmmessungen vorgenommen. An­lass dafür war die Sammlung aktueller Daten für das Projekt Schießlärm der BGHW, in dem Unfallkassen und Unfallversicherungsträger für die Bewertung der Berufskrankheit Lärmschwerhörigkeit bei Jägern und Jägerinnen zusammenarbeiten. „Akustische Unfälle ab 135 dB können einen Gehörschaden hervorru­fen“, erklärt Markus Radtke vom Referat Physikalische Einwirkungen bei der BGHW, der die Lärmmessungen durchgeführt hat. In der Büchsenmacherei – einem Beruf, der immer seltener wird – würden pro Jahr fünf bis zehn Fälle von Lärmschwerhörigkeit gemeldet. Insgesamt verzeichnet die BGHW jährlich rund 800 Fälle, von denen circa 300 als Be­rufskrankheit anerkannt werden.

ist die Schmerzgrenze überschritten.

Gehörschutz gehört einfach dazu

Lärmmessungen
BGHW-Lärmexperte Markus Radtke (l.) und Ferdinand Rudolph bei Lärmmessungen im Schießkino.

Geschossen wird bei den Rudolphs nur mit Lärmschutz auf den Ohren. „Bei uns im Schießkino ist Gehörschutz Pflicht, sonst bleibt die Leinwand dunkel“, sagt Günter Ru­dolph bestimmt. Sein Sohn empfiehlt aktiven Kapselgehörschutz mit Mikrofon. „Im Schieß­stand kann man den Gehörschutz auflassen, wenn man sich unterhält. Und ab 85 dB (A) schaltet er automatisch in den Dämmmodus“, benennt er die technischen Vorteile dieses Schutzes. Sogenannte HML-Werte geben für ei­nen Gehörschutz an, wie hoch die Schalldäm­mung für die Frequenzbereiche hoch (H(igh)), mittel (M(edium)) und tief (L(ow)) ist. „Im Durchschnitt beträgt die Schallreduzierung zwischen 25 und 30 dB. Bei Waffen mit ganz großen Kalibern kommt der Kapselgehör­schutz also an seine Grenzen“, ergänzt BGHW-Lärmexperte Markus Radtke. Hier können zu­sätzlich Ohrstöpsel helfen. Als Hobbyjäger unterrichtet der 30-jährige Juniorchef an der Jagdschule. Dort behandelt er das Thema Schalldämpfer intensiv. Die wa­ren in Deutschland bis zum Jahr 2015 gesetz­lich verboten. Bei der Jagd haben sie viele Vor­teile: Verringerter Mündungsknall um rund 30 dB, das Mündungsfeuer wird reduziert, der Rückstoß gemindert. Zudem schützen sie die empfindlichen Ohren der Jagdhunde. „Inzwi­schen gehen 98 Prozent der Neuwaffen nur noch mit Schalldämpfer über die Ladenthe­ke“, erzählt Ferdinand Rudolph. Natürlich kommen sie auch im Schießkino zum Einsatz. Gehörschutz auf den Ohren und Schalldämp­fer auf der Waffe – damit kann der Lärm der Schüsse aus dem Großkaliber auf ein gesund­heitsverträgliches Maß reduziert werden.

 

Schlecht zu hören ist wirklich bescheiden. Es ist ein enormer Verlust an Lebensqualität.

Günter Rudolph, Seniorchef von Waffen Rudolph

Die Stille nach dem Schuss

Der Seniorchef weiß, wovon er spricht. We­gen mehrerer stressbedingter Hörstürze hörte der Unternehmer ohnehin schlecht. Aber seit einem akustischen Unfall auf einer Jagdrei­se 2018 leidet er unter Lärmschwerhörigkeit. Damals war er mit einer Gruppe quasi auf der Heimfahrt von einem Jagdausflug; Günter Rudolph hatte den Gehörschutz bereits ab­genommen, als plötzlich doch das gesuchte Wild auftauchte. Es wurde geschossen, Ru­dolph hatte keine Zeit mehr, den Gehörschutz aufzusetzen. Danach hörte er nur noch ein Rauschen. Das wurde zum Glück besser, aber seitdem hört er nicht mehr so wie vorher. „Schlecht zu hören ist wirklich bescheiden. Es ist ein enormer Verlust an Lebensquali­tät“, sagt der 58-jährige Unternehmer. Lärm­schwerhörigkeit führt zu sozialer Isolation, auch privat. „Die Hörgeräte helfen zwar, aber sie verstärken alle Geräusche, auch Hinter­grundgeräusche. Ich höre alles, kann aber nichts mehr unterscheiden. Das ist für mich eine Qual“, beschreibt er seine Erfahrungen. Auch seine Familie lebt mit den Folgen der Lärmschwerhörigkeit, ist aber inzwischen ein eingespieltes Team. „Manchmal kommt es im Geschäft zu Missverständnissen, zum Beispiel wenn er am Telefon einen Kunden­namen falsch versteht“, sagt Karin Rudolph. Auch den Juniorchef haben die Erfahrungen seines Vaters geprägt: „Ich bin da sehr sensi­bel. Auch privat auf Konzerten nutze ich Ge­hörschutz. Ich weiß ja, wohin das sonst füh­ren kann.“ [hec]

Waffen Rudolph

• Der Familienbetrieb im Industriepark 108 in Osterburken beschäftigt neben den Familienmitgliedern drei Mitarbeitende.
• Zum Fachgeschäft mit Schwerpunkt Jagd­waffen gehört eine Büchsenmacherei.
• Im vollklimatisierten Schießkino mit einer Länge von 38 Metern können vor allem Jagdleute, Polizei, Sicherheitsdienste ihre Schießtechnik trainieren

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