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Maschinenmanipulation – kein Kavaliersdelikt

ca. 5 Minuten Lesezeit

Das Wichtigste im Überblick

  • An mehr als jeder vierten Maschine in deutschen Betrieben werden Schutzeinrichtungen ständig oder vorübergehend manipuliert. Das ist das Ergebnis einer Online-Befragung des Instituts für Arbeitssicherheit der DGUV (IFA).
  • Die Hälfte der befragten Personen gab an, dass Vorgesetzte von den Manipulationen wussten.
  • Die Manipulation wird in Klein- und Kleinstbetrieben von Führungskräften (59,1 Prozent) eher geduldet als in größeren Betrieben (45 Prozent). .
  • Die Folgen sind schwere Arbeitsunfälle (bis zu 10.000 jährlich), die Quetschungen sowie Schnittwunden verursachen und manchmal tödlich sind.
  • Den besten Schutz leisten die Führungskräfte. Sie dürfen nicht wegsehen, sondern müssen aktiv etwas gegen die Manipulation tun.

An mehr als jeder vierten Maschine in deutschen Betrieben werden Schutzeinrichtungen ständig oder vorübergehend manipuliert. Das ist hochgradig gefährlich und verursacht jährlich bis zu 10.000 Arbeitsunfälle – teilweise sogar tödliche. In mehr als jedem zweiten Betrieb werden Manipulationen an Maschinen durch Vorgesetzte toleriert. Was sind die Motive? Welche präventiven Maßnahmen könnten die Manipulationen verhindern?

 

Es kommt immer wieder vor: Schutzeinrichtungen an Maschinen werden manipuliert. „Unsere Online-Umfrage bei den Fachkräften für Arbeitssicherheit und auch Führungskräften hat gezeigt, dass mehr als ein Viertel aller Maschinen manipuliert wird, teilweise sogar dauerhaft“, sagt Stefan Otto, der die Umfrage des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) gesteuert hat. Die Folgen sind schwere Arbeitsunfälle (bis zu 10.000 jährlich), die mit Quetschungen sowie Schnittwunden einhergehen und manchmal sogar das Leben kosten. Für die Unternehmen entstehen durch solche Unfälle Personal- und Produktionsausfälle und es drohen Regressforderungen der Unfallversicherungsträger. Bei besonders schweren Unfällen müssen zuständige Führungskräfte wegen fahrlässigen Handelns oder Unterlassens sogar mit einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen.   

Wie Schutzeinrichtungen funktionieren

  • Bei Schutzeinrichtungen handelt es sich häufig um bewegliche trennende Schutzeinrichtungen, damit ein Eingriff in den Gefahrenbereich der Maschine zu Bedien- und Servicezwecken gewährleistet ist. Das können beispielsweise Türen oder bewegliche Abdeckungen sein. 
  • Es muss sichergestellt sein, dass gefahrbringende Maschinenfunktionen nur bei geschlossener Schutzeinrichtung ausgeführt werden. 
  • Beim Öffnen der Schutzeinrichtung müssen die gefahrbringenden Maschinenfunktionen stillgesetzt oder abgeschaltet werden. Für diesen Zweck ist eine Stellungsüberwachung der Schutzeinrichtung erforderlich. Die Umsetzung der Stellungsüberwachung erfolgt in der Regel durch einen Positionsschalter, der mit dem sicherheitsrelevanten Teil der Steuerung verknüpft ist. Zur Positionserkennung der Schutzeinrichtung besitzt der Positionsschalter immer ein entsprechendes Betätigungselement. 
  • In vielen Fällen ist das Betätigungselement der Ansatzpunkt für eine Manipulation: Durch die Anbringung eines sogenannten Ersatzbetätigers oder die Demontage des Originalbetätigers wird der Steuerung eine vermeintlich geschlossene Schutzeinrichtung vorgetäuscht.
Symbol für einen informativen Hinweis

Viele Vorgesetzte dulden Maschinenmanipulationen

Vorgesetzte dulden gefährliche Maschinenmanipulation

Was den Experten für Maschinensicherheit am IFA am meisten überrascht hat: „Die Hälfte der 839 befragten Personen gab an, dass Vorgesetzte von Manipulationen an den Maschinen wussten. Wenn Führungskräfte sich so verhalten, riskieren sie die Gesundheit und das Leben von Beschäftigten.“ Eine weitere Erkenntnis: Die Manipulation wird in Klein- und Kleinstbetrieben von Führungskräften (59,1 Prozent) eher geduldet als in größeren Betrieben (45 Prozent). Die Folge: In diesen Unternehmen werden Maschinen öfter (37,1 Prozent) manipuliert als in Großbetrieben (23,1 Prozent). 

Manuel Weis

Manipulationen sind kein Kavaliersdelikt, sondern eine Gefahr für die Gesundheit.

Manuel WeisReferent Hauptabteilung Prävention der BGHW

Gründe für die Manipulation

Warum werden die Sicherheitsvorkehrungen umgangen? Sie sollen doch vor Verletzungen oder Unfällen schützen. „Manchmal werden Schutzeinrichtungen von den Beschäftigten als hinderlich empfunden“, sagt IFA-Experte Otto. Das gelte umso mehr, je weniger die Vorkehrungen zu den Arbeitsabläufen passen. Oft wird dann der Betätiger von der Schutztür abgeschraubt und in die Betätigungseinrichtung des Positionsschalters am Maschinengehäuse gesteckt, so dass die Maschine trotz geöffneter Schutztür weiterläuft. Die möglichen Gründe: „Die Produktivität und die Arbeitsleistungen sollen erhöht werden, Ausfallzeiten und Produktionsverzögerungen reduziert oder vermieden werden“, erklärt Manuel Weis, der als Präventionsexperte der BGHW für das Themenfeld Maschinensicherheit verantwortlich ist. 

Gequetschte Finger, abgerissene Arme

Je stärker eine Schutzeinrichtung die Arbeit an einer Maschine verlangsamt oder erschwert, umso größer ist der Anreiz, sie zu manipulieren. Oft tun das jene Mitarbeitende, die die Technik der Maschine sehr gut kennen. „Diese Manipulationen sind kein Kavaliersdelikt, sondern eine Gefahr für die Gesundheit“, betont BGHW-Referent Manuel Weis und berichtet von Unfallszenarien mit gequetschten Fingern, abgerissenen Armen oder einem kompletten Körper, der in eine Maschine hineingezogen wurde, weil die Zugangstür manipuliert wurde.

Stefan Otto

Die Vorgesetzten sind der beste Schutz vor Manipulationen.

Stefan OttoLeiter des Arbeitskreises „Manipulation von Schutzeinrichtungen“ der DGUV

Der beste Schutz vor Manipulationen: die Führungskraft

Wie lässt sich das verhindern? Die Ergebnisse der IFA-Befragung machen deutlich, dass das Führungsverhalten ein wichtiger Faktor ist. Betriebe, in denen Manipulationen von Führungskräften toleriert werden, haben ein um 18 Prozent höheres Unfallgeschehen. „Dabei sind die Vorgesetzten der beste Schutz vor Manipulationen“, sagt IFA-Experte Otto. Deswegen sei es wichtig, dass Führungskräfte zunächst sich selbst für die Folgen von Manipulationen sensibilisieren. „Sie sollten sich hin und wieder mal die Frage stellen: ‚Würde ich mein eigenes Kind oder meinen eigenen Partner an einer manipulierten Maschine arbeiten lassen?‘“, betont BGHW-Referent Weis. Nur wer das Thema Manipulation selbst ernst nimmt, kann auch mit gutem Beispiel für die Beschäftigten vorangehen. „Die Führungskraft darf nicht einfach wegsehen, wenn eine Maschine manipuliert wird, sondern muss aktiv etwas tun. Schließlich trägt sie die Verantwortung für die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeitenden und kann im Fall eines Unfalls haftbar gemacht werden“, mahnt Stefan Otto an. Das Gespräch auf Augenhöhe sei die Grundlage, um das Sicherheitsbewusstsein der Beschäftigten zu verbessern und nachhaltig zu verankern. 

Wie können Maschinenmanipulationen verhindert werden? Aufgaben für Führungskräfte und Beschäftigte

Hat das vorgesehene Personal eine ausreichende Qualifikation, um die Maschine zu bedienen, einzurichten oder Instand zu halten?

Hat eine Schulung bzw. Unterweisung der Beschäftigten zum Betrieb der Maschine stattgefunden?

Bestehen im Betrieb Sicherheitsregeln für den sicheren Umgang mit Maschinen? Sind die Konsequenzen für den Fall definiert, dass die Regeln nicht eingehalten werden? Kennen die Beschäftigten diese?

Wird das Einhalten der Sicherheitsregeln durch die Vorgesetzten regelmäßig überprüft?

Kennt die Geschäfts- oder Betriebsleitung die an den Maschinen auftretenden Probleme?

An wen sollen sich die Beschäftigte wenden, wenn sie einen Arbeitsgang nicht sicher ausführen können?

Gibt es klare Anweisungen für die Führungskräfte, gemeldete Manipulationsanreize mit Priorität zu bearbeiten?

Symbol mit einem Ausrufezeichen

Proaktiv vorbeugen – Manipulationsanreize minimieren

Neben der Vorbildfunktion der Führungskräfte müsse man aber auch die Maschine selbst im Blick behalten, sagt Manuel Weis. So könnten bereits die Maschinenhersteller darauf achten, dass Manipulationen an den Schutzeinrichtungen ihrer neuen Modelle fast nicht mehr möglich sind. Die neue Maschine sollte sicherer und benutzerfreundlicher zu bedienen sein als die alte. Ebenso sollten Geschäftsführende vor dem Kauf großen Wert darauf legen, dass die neue Maschine wenig Anreize zur Manipulation bietet. Im Betrieb sollte die Maschine so aufgestellt sein, dass sie mit Material einfach beliefert und ohne großen räumlichen und zeitlichen Aufwand repariert oder instandgehalten werden kann. Der Betreiber sollte also proaktiv bereits bei der Organisation des Maschinenstandorts einer Manipulation vorbeugen (mehr dazu: https://stop-defeating.org/). 

„Die Manipulation von Schutzeinrichtungen ist trotz der vorgenannten Maßnahmen nicht immer in den Griff zu bekommen“, sagt Manuel Weis, „umso wichtiger ist es, dass die Führungskräfte in solchen Fällen konsequent einschreiten, um das Manipulieren von Schutzeinrichtungen nachhaltig zu verhindern.“  (sie)

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